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Mitgliederversammlung 1. Architektursalon mit einer Lesung von Burkhard Spinnen

7. Dezember 2018

Der Charme einer vergammelnden Plastikdose.

Autor Burkhard Spinnen beklagt beim ersten Architektursalon des BDA das Verschwinden des Ensembles.

(BDA) Fehlt aktueller Architektur oft das menschliche Maß oder die ästhetische Haltbarkeit? Verschwindet in Zeiten des Individualismus das „Ensemble“, der Wille „Gemeinsames zu erschaffen?“. Mit diesen Positionen sorgte der münsterische Autor Burkhard Spinnen beim ersten Architektursalon des Bundes Deutscher Architekten Münster-Münsterland (BDA) für eine lebhafte Debatte. Spinnen las aus seinem gerade erschienenen Band „Neue Heimatkunde – Zwölf Aufsätze über Architektur, Leben und Wohnen“ und diskutierte intensiv mit den Gästen des Abends.

„Wir wollen raus aus der Filterblase der Planer“, erläutert Peter Bastian, Vorsitzender des Bundes Deutscher Architekten Münster-Münsterland (BDA) die Motivation für das neue Format eines Salons. Man suche dabei den Dialog mit und den kritischen Blick von Architektur-Beobachtern. In Spinnen fand man für den ersten Durchgang einen besonders aufmerksamen Betrachter gebauter Wirklichkeit. Der seit über 40 Jahren in Münster lebende Autor leidet nach eigenem Bekunden an einer „extrem übersteigerten Reizbarkeit durch Architektur.“ Spinnen hält sich auf diesem Feld für geradezu „krankhaft aufmerksam“: Präzise, oft ironisch und immer deutlich skizzierte Spinnen den planerischen Zeitgeist. Daraus entstand eine lebhafte Diskussion, die Moderator Jörg Heithoff nach drei Stunden beenden musste. „Zu einem Salon gehört die Debatte. Unser Konzept ist aufgegangen“, freute sich Andreas Heupel, Vorstandsmitglied im BDA Münster-Münsterland.

Spinnen sparte nicht mit Kritik. Der Gestaltungswille privater Bauherren habe Bauten der Nachkriegszeit in vielen Fällen den ursprünglichen „Geist der Architektur ausgetrieben“. „Gewaltstudien in Sichtbeton“ oder „Attentatsversuche der Postmoderne als Rohrkrepierer“ sind in Deutschlands Innenstädten zu beobachten. ­­­­Spinnen wünscht sich – nicht ganz ernst gemeint – beim Flanieren durch deutsche Städte oft eine „Creme mit Architekturschutzfaktor“. Der gründerzeitlichen Lützowplatz im Berlin des ausgehenden 19. Jahrhunderts oder die in den 60er Jahren noch zu erkennende, heute aber verschwundene klare Nachkriegslinie der Hindenburgstraße in seiner Geburtsstadt Mönchengladbach lobt der Autor dagegen. Letztere sei „aus einem Guss“ gewesen. Der heranwachsende Spinnen hat daraus noch „eine große Geborgenheit geschöpft“. „In bestem Sinne angemessen“, lautet Spinnens Urteil. Davon sei allerdings heute nach diversen Mutationen nichts mehr zu erkennen.

Foto: Wilhelm Walterscheid
Foto: Wilhelm Walterscheid

Doch ein Architektur-Traditionalist ist Spinnen keineswegs. „Ich bedauere allerdings den schleichenden Untergang des Ensembles“, beschreibt der renommierte Autor sein Unbehagen. Dass sich Bauherrn und Architekten selbst bescheiden und am Umfeld orientieren, scheint eine aussterbende Tugend. Das gilt nicht nur für die Innenstädte. Auch in Villenvierteln der 60er Jahre habe man noch Mühe darauf verwendet, „die Häuser vornehm, aber vor allem dezent zu gestalten“. Daraus sei eine architektonische Einheit entstanden. Diese Noblesse ist allerdings durch vorzugsweise weiße, eckige Kästen ersetzt oder ergänzt worden. Diese gehen Spinnen „durch Mark und Bein“, allerdings „ohne zu berühren“. „Post-Legoismus“, tauft Spinnen die Marotte. Neubauten dieser Art „verhöhnen“ die Nachbargebäude oft. Im Gegenzug bekommen sie im Viertel charmante Titel wie „Flakbunker“ oder „Gefriertruhe“ verpasst. „Es scheint jede Intention zur Schaffung eines Ganzen zu fehlen“, bedauert Spinnen. Genau das hält Spinnen für das eigentlich Tragische. Denn eigentlich gehe es immer um „die Sehnsucht nach der Stadt als Sinnbild für die Versöhnung von Einzelnen und Gemeinschaft.“ Architektur könne Identität stiften, was aber immer seltener der Fall sei.

Foto: Wilhelm Walterscheid
Foto: Wilhelm Walterscheid

Für sein neues Buch wählte Spinnen zwölf Beiträge aus seinem reichen Fundus an Vortragsmanuskripten und Texten zu Themen der Architektur oder des urbanen Lebens aus, überarbeitete und aktualisierte diese und legte damit eine pointierte Sicht auf zentrale Aspekte des Themas vor. Der Band ist bei DOM publishers, Berlin, erschienen und für 28 Euro im Buchhandel erhältlich. Der BDA Münster-Münsterland unterstützte die Herausgabe des Buches. „Der glasklare Blick des Schriftstellers Burkhard Spinnen auf Themen der Architektur, des Lebens und Wohnens ist eine Bereicherung für „unsere“ Debatten“, so BDA-Vorsitzender Bastian.

Foto: Wilhelm Walterscheid
Foto: Wilhelm Walterscheid

Bildzeile: „Sorgte mit kritischen Anmerkungen zum architektonischen Zeitgeist für eine lebhafte Debatte beim ersten Architektursalon des BDA: Der münsterische Autor Burkhard Spinnen (l.), hier auf der Bühne mit Moderator Jörg Heithoff (r.). Foto: BDA/Wilhelm Walterscheid, Abdruck honorarfrei, um Nennung des Fotografen wird gebeten.

Foto: Wilhelm Walterscheid
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Foto: Wilhelm Walterscheid
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Foto: Wilhelm Walterscheid
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