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Grünes Licht für mehr Baukultur – Stadt Hilden bekommt Gestaltungsbeirat

2. März 2018

Hilden City, Fußgängerzone mit Blick auf die Reformationskirche. Foto: Monika Medam

Trommeln gehört zum Handwerk. So lud Christof Gemeiner, Vorsitzender der BDA-Gruppe Bergisch-Land im letzten Jahr Politik und Verwaltung in Hilden ein und informierte über die Arbeit und die Vorteile eines Gestaltungsbeirates für die Stadtplanung.  Nachdem die Stadt Haan es vorgemacht hat, ist dieses neue Gremium nun auch in Hilden am Start: Der Stadtentwicklungsausschuss hat im Dezember 2017 mit großer Mehrheit grünes Licht dafür gegeben. Anlass für den BDA Bergisch Land mit Frau Rita Hoff, seit 2011 Baudezernentin der Stadt Hilden über das Thema Gestaltungsbeirat zu sprechen.

BDA: Uns freut es sehr, dass es künftig auch in Hilden einen Gestaltungsbeirat geben wird. Wie sehen Sie das aus Verwaltungssicht  – als Bereicherung oder als Belastung?

HOFF: Das war zunächst eine Initiative seitens der Politik, die zur Diskussion innerhalb der Verwaltung geführt hat, wo genau um diese Frage ging: Bereichert uns das oder ist das eine Belastung. Das Ergebnis unserer Diskussion war, dass wir  – trotz zusätzlichem Aufwand sowohl personell für die Verwaltungsmitarbeiter als auch finanziell – einen Gestaltungsbeirat grundsätzlich als Mehrwert betrachten. Denn die Diskussionen, die wir verwaltungsintern, aber auch in der Politik haben, werden dort nochmal gebündelt, insbesondere durch die Experten, die mit einem neutraleren Fachblick aufs Thema schauen. Das kann zu einer intensiven und fruchtbaren Auseinandersetzung führen mit Bauherren und Investoren bei  Planungsprozessen und einzelnen Bauvorhaben, insbesondere denjenigen, die kritisch in der Öffentlichkeit diskutiert werden.

Interview mit Frau Rita Hoff, seit 2011 Baudezernentin der Stadt Hilden, 2008 bis 2011 Baudezernentin von Kamp-Lintfort

BDA: Wo sehen Sie konkret die Vorteile für Hilden durch einen Gestaltungsbeirat?

HOFF: Für neue,  künftige Projekte ist ein Gestaltungsbeirat eine große Hilfe. Eine Stadt entwickelt sich immer weiter und lebt von der Atmosphäre, die durch die Architektur, die Gestaltung des öffentlichen Raumes im Wesentlichen mitbestimmt wird. Die Baukultur und eine gute Gestaltung sind neben kulturellen Angeboten ein wichtiger Beitrag für die Lebensqualität und das Wohlbefinden sowohl der Bewohner als auch der Besucher der Stadt Hilden.

BDA: Sie haben bereits Erfahrung mit der Arbeit von Gestaltungsbeiräten aus Ihrer Zeit in Kamp-Lintfort. Dort existiert dieser Beirat schon einige Jahre. Woran merken die Menschen in der Stadt, dass es dieses Gremium gibt? 

HOFF: Den Gestaltungsbeirat dort gibt es schon seit 2002, Kamp-Lintfort war eine der ersten Städte in NRW, die das gewagt haben.  Kamp-Lintfort ist eine kleine Stadt und durch den Bergbau geprägt. Damals zeichnete sich aber schon ab, dass die Zeche schließen und es zu einem großen Umbruch kommen würde. Wichtige Akteure aus  Verwaltung, Politik und Bürgern haben unter diesem enormen Druck  versucht, die Stadt Kamp-Lintfort nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gestalterisch nach vorne zu bringen.

Das war in der Zeit, als ich dort Baudezernentin war,  verbunden mit großen Bauaufgaben, die alle im Gestaltungsbeirat diskutiert wurden. Die Stadt hat sich frühzeitig aufgemacht, zu überlegen, welche städtebaulichen Qualitäten gibt es und kann man sie sichern, aber auch – wie kann man Neubauten und den öffentlichen Raum so gestalten,  dass er zukünftig attraktiver ist. Die Empfehlungen des Beirats hatten den positiven Effekt, dass Bauherren von sich aus darum gebeten haben, ihre Projekte im Gestaltungsbeirat zu diskutieren. Sie konnten dort sehr unkompliziert wertvolle Tipps bekommen. Im Laufe der ca. 15 Jahre Gestaltungsbeirat hat die Stadt Kamp-Lintfort durch die gestalterische Aufwertung sehr profitiert, dies wird auch von den Bürgern anerkannt. Nach einem Jahr merkt man das vielleicht noch nicht, aber langfristig macht sich das doch sehr bemerkbar.

BDA: Eine kluge Stadtplanung mit Einbezug der Empfehlungen des Gestaltungsbeirats kann für eine höhere Nachhaltigkeit im Hinblick auf die  Lebensdauer einer Neubebauung sorgen. Ist auch das ein grundsätzlicher Mehrwert?  

HOFF: Oft genug wurde das Thema Baukultur den Investoren überlassen. Der Gestaltungsbeirat kann da einen wichtigen Beitrag zu Verbesserung leisten und außerdem für eine größere Akzeptanz einer Baumaßnahme in der Bevölkerung sorgen. Bauherren, Investoren und deren Architekten wollen jeweils für sich das Optimum herausholen. Der Gestaltungsbeirat holt alle Beteiligten an einen Tisch, die Investoren, Bauherren und Architekten müssen ihr Projekt vor diesem Gremium noch einmal rechtfertigen. In diesem Prozess können neue Ideen eingebracht werden und einige Aspekte überdacht und geändert werden. Das ist mitunter mühsam, aber wenn erst mal etwas gebaut ist, ist es für Änderungen zu spät. Negativbeispiele sind Gebäude aus den 60er und 70er Jahren, die teilweise mangels Nachhaltigkeit abgerissen werden. Das ist keine wünschenswerte Entwicklung, dass solche Gebäude und der öffentliche Raum nur eine so kurze Lebensdauer haben, denn materielle Werte werden vernichtet. Daher sollte die gebaute Umwelt von vorneherein so gestaltet werden, dass sie über Jahrzehnte ihre Funktion behalten kann. Deshalb ist es wichtig, diese Diskussion am Anfang zu führen und sie nicht den kurzfristigen Verwertungsgesichtspunkten der Investoren zu opfern.

BDA: Was sind Ihrer Erfahrung nach die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit?

HOFF: Es muss eine gute tragfähige Geschäftsordnung geben, mit externen Fachleuten besetzt. Wichtig ist, dass der Gestaltungsbeirat relativ frühzeitig einbezogen wird. Das heißt, es sollten schon Pläne da sein, aber das Baurecht sollte noch nicht verfestigt sein, damit man noch Spielräume hat. Ganz wichtig ist, nachdem Empfehlungen erarbeitet und ausgesprochen wurden, die Nachsorge. Das würde bedeuten, dass wir – die Baubehörde -die Investoren und Bauherren an die Hand nehmen und Überzeugungsarbeit leisten, um die Empfehlungen umzusetzen. Die Empfehlungen des Gestaltungsbeirates sind für alle von Vorteil, auch für die Bauherren und Investoren, so kann ein gut gestaltetes Vorhaben immer gut vermarktet werden und ist nachhaltig. Wichtig ist auch, dass die Experten im Gestaltungsbeirat sich nicht nur mit der sogenannten Stararchitektur befassen, sondern auch die Alltagsarchitektur im Blick haben. Das heißt, dass sie den Bauherren von unspektakulären Bauvorhaben Empfehlungen geben können, wie daraus ein interessantes Gebäude entstehen kann.

BDA: Der Blick von außen auf eine Stadt durch neutrale Fachleute kann sicher auch erfrischend und  bereichernd sein.

HOFF: Auf jeden Fall. Auch ich selbst als Fachmensch kann dadurch sehr viel lernen. Man selbst oder auch die Politik hat oftmals einen  verstellten Blick und ist oft überrascht, welche neuen, interessanten Betrachtungsweisen es geben kann.

BDA: Kann  der Gestaltungsbeirat ein Instrument sein für einen echten Dialog auf der Sachebene ohne Rechtfertigungszwänge etwa seitens der Politik bzw. der Verwaltung?

HOFF: Meine Hoffnung ist, dass durch die Diskussion der Beteiligten im Gestaltungsbeirat miteinander die Lagermentalität aufgehoben wird, denn nicht selten sehen Bauherren und Architekten die Verwaltung als restriktiv. Ziel wäre es, dass man über einen Konsens zu neuen Lösungen kommt. Der Gestaltungbeirat in Hilden wird nicht-öffentlich sein, weil wir glauben, dass die Kreativität bei offener Aussprache ohne Öffentlichkeit gefördert werden kann. Es dient auch dem  Schutz der Bauherren und Architekten, die dort ihre Projekte vorstellen. Erst am Ende sollten die Ergebnisse öffentlich kommuniziert werden.

BDA: Wird in Hilden bereits an der Geschäftsordnung für den Gestaltungsbeirat gearbeitet?

HOFF: Wir haben den Auftrag erhalten, bis zur Sommerpause eine Geschäftsordnung für den Gestaltungsbeirat zu erarbeiten, zunächst ohne Beteiligung der Politik. Wir hier im Baudezernat in Hilden fänden es aber wichtig, dass politische Vertreter, nicht stimmberechtigt, aber beratend  mitreden können.

Personell  stellen wir uns das momentan so vor: es gibt vorerst drei externe Fachleute mit Vertretern, die stimmberechtigt sind. Sie sollten Praktiker sein aus den Bereichen Architektur, Stadtplanung, Denkmalpflege und Landschaftsgestaltung. Damit die Neutralität gewahrt bleibt, dürfen die Experten weder in Hilden angesiedelt noch an den zu diskutierenden Bauprojekten beteiligt sein. Dann gibt es die Verwaltungsseite, die die Geschäftsführung stellt, die einlädt, vorbereitet und protokolliert. Aus der Bauaufsicht und Bauplanung und ich als Baudezernentin kommen weitere nicht stimmberechtigte Mitglieder. Wir werden die Projekte aussuchen, die auf die Tagesordnung des Gestaltungsbeirates kommen. Unsere Aufgabe besteht zum Beispiel darin, den neutralen Experten u.a. auch die Ortskenntnis zu verschaffen, und die Projekte steckbriefartig zu erläutern.

Letztendlich werden wir zwei alternative Geschäftsordnungen vorschlagen, einmal mit Beteiligung der Politik und einmal ohne. Dann haben wir die Wahl. Letztendlich entscheidet aber die Politik darüber. Wenn die Geschäftsordnung feststeht, werden wir Experten suchen.

BDA: Vielen Dank für das Interview.

Nach der Sommerpause darf man also gespannt sein, in welcher Zusammensetzung der Hildener Gestaltungsbeirat seine Arbeit aufnehmen wird. Wir werden dann weiter darüber berichten. Das Interview für den BDA führte Monika Medam.